Ist ein regelmäßiger Webcast – also eine TV-Sendung im Internet – Rundfunk und bedarf einer Rundfunklizenz der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde? Dieser Frage sind wir im Gespräch mit einigen Juristen nachgegangen. Die Meinungen gingen auseinander, auch die im Netz geführte Diskussion um Hangouts on Air hat keine Klarheit gebracht. Was also tun? Wir haben die für uns zuständige Bayerische Landeszentrale für neue Medien befragt und nach einigem Hin und Her schließlich ganz offiziell einen Antrag gestellt, uns die rundfunkrechtliche Unbedenklichkeit künftig von uns geplanter interaktiver Live-Webcasts zu bescheinigen. Der Bescheid ist mittlerweile da. Wir haben Rechtssicherheit: Unsere Webcasts sind kein Rundfunk.

Internet oder Fernsehen: alles Rundfunk?

Doch warum ist diese Diskussion eigentlich notwendig? Der Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer ist die rechtliche Grundlage für die Verbreitung von Rundfunk oder vergleichbaren Telemedien. Und Rundfunk darf man in Deutschland nicht einfach so betreiben. Wer keinen Piratensender im Netz etablieren will, ist also gut beraten, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Und so regelt dieser Rundfunkstaatsvertrag unter anderem: „Kein Rundfunk sind Angebote, die

  1. jedenfalls weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden,
  2. zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind,
  3. ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen,
  4. nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind oder
  5. aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden.“ (Quelle: RStV)

Nun hatten wir vor, interaktive Webcasts begutachten und für unbedenklich bescheiden zu lassen. Unser Format: Wir produzieren live eine Talkshow mit einem Talkmaster und einem oder mehreren Gästen. Diese wird von uns redaktionell geplant, im Vorfeld beworben und schließlich auch produziert und über eine Website unseres Kunden gestreamt, sprich: verbreitet. Diese Webcasts sind interaktiv, d.h. entweder können Zuschauer per klassischem Call-in (wie in Shoppingsendern üblich) in das Studio geschaltet werden oder sie können Fragen über eine Kommentarfunktion auf der verbreitenden Website oder auch per Twitter stellen. Diese werden live beantwortet. Diese Webcasts sind eine moderne Form der Webinare, die mittlerweile im B2B Marketing um sich greifen. Sie verbinden ein unterhaltsames Fernsehformat (deutlich attraktiver als das gemeinsame Anschauen von Powerpoint-Folien), verbinden Inhalte mit Personen und können auch komplizierte Sachverhalte im Dialog mit dem Zuschauer perfekt vermitteln. Es geht um Infotainment oder Edutainment.

Ähnlich wie beim Fernsehen entfalten diese Formate erst bei einer gewissen Penetration und Häufigkeit ihre Wirkung. Es braucht also mehrere Sendungen, die dann logischerweise einem Sendeplan/-schema folgen (ebenfalls ein Kriterium für Rundfunk). Kritisch sind in der genannten Liste die Punkte 1 und 4, wobei sich letzter Punkt schnell klären lässt: Es ist Journalismus, der hier betrieben wird. Jedenfalls dann, wenn wir unseren Job ordentlich machen und davon wollen wir ausgehen.

Was ist die Reichweite eines Webcasts?

Die bestehende Unklarheit, die uns letztlich dazu gebracht hat, diesen Antrag zu stellen, war die Reichweite. Wie genau diese Reichweite zu verstehen ist, darüber haben sich die von uns befragten Juristen und auch zahlreiche Foristen im Netz gestritten: Sitzen vor einem Empfangsgerät 15 Kolleginnen und Kollegen im Besprechungsraum und nehmen gemeinsam an einem Webcast teil – Reichweite 15 oder Reichweite 1? Diese Frage wollten wir für unsere Angebote verbindlich geklärt haben, können wir doch die technische Reichweite, als die Zahl der Endgeräte, die einen Webcast empfangen können, über verfügbare Bandbreiten bei der Ausstrahlung relativ einfach steuern. Eine Begrenzung der Teilnehmer ist also technisch möglich. Gleichzeitig wollen wir mit den Webcasts Webinare ersetzen, wir wollen also wissen, wer zuschaut. Eine Anmeldung im Vorfeld ist deshalb notwendig und Voraussetzung dafür, dass der Zugang zur Kommentarfunktion freigeschaltet wird. Es geht bei uns schließlich um Leadgenerierung und nicht um ein frei empfangbares Programm.

Also standen wir vor der Wahl: Rundfunk-Zulassung beantragen oder Unbedenklichkeitsbescheinigung? Wir haben uns – auch aus Kostengründen – für den zweiten Weg entschieden. Eine Rundfunklizenz zu beantragen, wäre ja immer noch möglich gewesen. „Zulassungen werden von den Landesmedienanstalten erteilt. Örtlich zuständig ist die Landesmedienanstalt, in deren Bundesland der Veranstalter seinen (Wohn-)Sitz hat. Die Zulassung bundesweiter Programme kann bei jeder Landesmedienanstalt beantragt werden. Nach Prüfung des Antrages durch die für die Landesmedienanstalt tätige Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) wird eine bundesweite Zulassung erteilt.“ So heißt es auf der gemeinsamen Internetseite der Landesmedienanstalten.

Unsere Webcasts sind rundfunkrechtlich unbedenklich!

Und so kam es dann auch: Am 24. September 2013 wurde uns die Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 RStV zur Ausstrahlung von Livestreams nach oben beschriebenen Schema erteilt. Wir haben also nun den ganz offiziellen Stempel, dass unser detailliertes Konzept interaktiver Webcasts rundfunkrechtlich unbedenklich ist. Was das heißt? Das bedeutet Rechtssicherheit für uns und unsere Kunden – Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag können nämlich Bußgelder von bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen. Und das können wir für unsere Produkte nun ausschließen.