Jens Fuderholz im Interview: Was ist Thought Leadership eigentlich, was bringt es mir und meinem Unternehmen und wie komme ich genau da hin? Markus Euler hat im Rahmen des CCN-Podcasts Jens Fuderholz, Geschäftsführer von TBN, zum Thema Thought Leadership interviewt.

Euler: Auf eurer Homepage lese ich Dinge wie Content-Marketing, Buyer Persona, Lead Nurturing und so weiter, das klingt alles sehr komplex. Wie kann man denn vereinfacht darstellen, was hinter diesen ganzen Begriffen steckt?

Fuderholz: In den Unternehmen finden wir häufig Komplexität vor, die man nur mit Komplexität beantworten kann. Ganz einfach gesagt geht es bei uns um das Thema PR, Content-Marketing und Lead Management, das sind drei operative Gewerke. Wenn Unternehmen diese gut beherrschen, schaffen sie es, Meinungsführer in ihren Märkten zu werden. Und das ist auch unser Ziel für die Kunden.

Euler: Warum muss ich ein Meinungsführer, ein Thought Leader sein, um in meinem B2B-Bereich erfolgreich sein zu können?

Fuderholz: Das ist ein Wechselspiel. Ich bin Meinungsführer und erfolgreich und ich bin erfolgreich und irgendwann Meinungsführer. Man muss kein Thought Leader sein, um ein gutes Geschäft zu machen, aber es hilft natürlich sehr. Betrachtet man die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen, die sieben Sekunden beträgt, wird deutlich, woran sich die Menschen orientieren: am Meinungsführer, der sichtbar ist. Mit unseren Kunden versuchen wir aus einer stumpfen, featuregetriebenen Technologie-Kommunikation herauszubrechen, um eine Vision aufzuzeigen, Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zu erreichen und letztendlich als Meinungsführer wahrgenommen zu werden.

Euler: Wenn ich heute mein Produkt verkaufen will, dann höre ich mich vermutlich an wie viele andere auch. Da ist Orientierung das Thema, was wir tatsächlich brauchen.

Fuderholz: Schauen wir uns Elon Musk an, der das Synonym für Thought Leadership vielfach darstellt. Er hat es mittlerweile geschafft, alleine mit der Ankündigung eines neuen Teslas Geschäft zu machen. Die Kunden zahlen Geld, um auf eine Liste gesetzt zu werden, was es ihnen ermöglicht, eines dieser Autos zu kaufen. Das tun die Menschen, ohne überhaupt zu wissen, ob das Projekt funktioniert oder welche Parameter der Tesla hat. Das ist alles unwichtig, weil sie es geschafft haben, als Pionier der Elektromobilität wahrgenommen zu werden. Und das übertragen wir auf den B2B-Bereich.

Euler: Das heißt, du musst im Kopf deiner Kunden ganz vorne sein. Angenommen, ich bin ein Experte und habe ein klares Bild von der Entwicklung meiner Branche, ich bespiele Social Media, habe einen Webauftritt, ein Buch geschrieben und mache noch klassische PR.
Wo ist da der genaue Unterschied zum Thought Leadership?

Fuderholz: Den Thought Leader macht eigentlich die Haltung aus, auch Mal unbequeme Dinge zu thematisieren. Es kommt darauf an, für das, was man verkaufen will, zu brennen und auch in Kauf zu nehmen, dass man aneckt.

Euler: Das heißt, Thought Leader zeigen auch ganz bewusst, dass ihre Haltung oft auch vom Mainstream abweicht?

Fuderholz: Klar, das schafft Aufmerksamkeit. Man muss nur aufpassen, dass man die Marke dabei nicht beschädigt. Joe Kaeser hat sich damals zur Flüchtlingspolitik ganz offen geäußert und sich auf die Seite von Angela Merkel gestellt. Da gibt es also durchaus einen moralischen Kompass, den er für sich aber auch auf Siemens übertragen hat. Das Zusammenwachsen von persönlicher Wahrnehmung und Markenwahrnehmung oder Konzernwahrnehmung kann so funktionieren.

Euler: Das heißt die Person und die Marke und das ganze Branding, das ist in der Wahrnehmung letzten Endes eins?!

Fuderholz: Genau. Ein omnipräsenter CEO – Social Media und PR reicht aber nicht ­– ein Unternehmen muss schon auch so geführt werden, dass es erfolgreich sein kann oder ist. Reichweite ist gut und wichtig, gleichzeitig braucht es aber eine Vertriebsorganisation, die erfolgreich Produkte verkaufen kann. Wenn das nicht funktioniert, bringt die Reichweite auch nichts.

Euler: Ist ein Thought Leader ein Influencer? Gibt es da Unterschiede?

Fuderholz: Der Influencer hat Wirkung, aber hat der auch Haltung? Influencer werden letztendlich von Dritten dafür vergütet, dass sie Produkte anpreisen. Sie monetarisieren also einfach ihre Reichweite. Aber ein Thought Leader steht für die eigene Marke.

Euler: Wenn wir mal Content Marketing oder Lead Generierung einfach mal als Werkzeug nehmen, in welchem Zusammenhang stehen diese beiden Disziplinen?

Fuderholz: Also wir haben diesen Dreiklang: PR, Content Marketing und Lead Management. Ganz im Zentrum steht der Content, die schwerste Aufgabe, denn ich muss es schaffen, Fakten spannend aufzubereiten. Dabei spielt Relevanz, Glaubwürdigkeit, Unikalität und Nutzen eine große Rolle. Das führt zu Conversion, dann gibt der User seine Daten ab.

Hier setzt das Lead Management an: Der Kunde ist jetzt noch am Anfang seiner Customer Journey, muss also erst noch vorbereitet werden, bis er dann Sales ready ist. Wenn das zutrifft, kann der Vertriebler direkt beim Kunden anrufen, der zu diesem Zeitpunkt dann bereits ein gewisses Vorwissen hat. Der Lead muss also zunächst qualifiziert werden, bevor der Vertrieb ansetzen kann.

Wenn ich vom Content in Richtung PR schaue, brauche ich für meine Inhalte Reichweite. Mit gut aufbereiteten Fakten kann man an Journalisten herantreten und sagen: „Guck mal hier, guter Content, das ist für deine Leser interessant“. Das funktioniert.

Und so ergibt sich ein Dreiklang der Gewerke, der dazu führt, dass Content wahrgenommen wird und wenn ich dann noch ein gutes Produkt habe, dann werde ich irgendwann auch ein gewinnbringendes Geschäft machen.

Auf der strategischen Ebene kann man dann daran arbeiten, das zu perfektionieren, verbreiten und sichtbar zu werden, um irgendwann ein Thought Leader zu sein.

Euler: Das ist eine Sichtweise, die klare Strukturen wie die Trennung von Marketing und Vertrieb aufbricht, oder?

Fuderholz: Diese Silo-Denke ist völlig überholt. Leider ist es so, dass die meisten Unternehmen in Silos organisiert sind. Diese Strukturen zumindest mal durchlässig zu machen, das ist auch eine der forderndsten Aufgaben in unserem Agenturgeschäft. Besonders die Rollentrennung von Marketing und Sales führt zu Konflikten. Das gemeinsame Ziel „Thought Leadership“ hilft, daran zu arbeiten und bringt die Leute in Aufbruchsstimmung. Dann muss das aber schnell Erfolge liefern, sonst ist das Projekt verbrannt und alle ziehen sich in ihre Silos zurück mit den Worten: „Die letzten 80 Jahre hat es so ja auch funktioniert“.

Euler: Welche Rolle spielt ihr in diesem Konzept? Seid ihr eher der Dirigent oder spielt ihr die erste Geige oder seid ihr der Orchester Manager?

Fuderholz: Wir kommen eher aus dem Jazz. Wir geben eine Tonart vor und einen Takt und dann machen wir gemeinsam Musik.

Euler: Wobei ja im Jazz oftmals die Takte eher nicht so sind wie gewohnt, sondern eher krumm.

Fuderholz: Ja, neue Wege gehen schadet nicht. Aber wir werden keine ganz ausgefallene Musik machen. Wir geben den Takt vor, legen ein Thema fest und sorgen dafür, dass Marketing, Sales und die Unternehmenskommunikation gemeinsam musizieren. Wir übernehmen vielleicht auch mal das ein oder andere Instrument, bringen vielleicht ein neues mit rein, schaffen aber auch Freiraum für Improvisation. Ziel ist es, schöne Musik zu spielen, wir probieren ein paar Takte aus und schauen dann, wie das Publikum reagiert. Manchmal wechseln wir dann auch das Instrument, je nachdem, ob die Musik dem Publikum gefällt. Ein heuristischer Ansatz, viel testen und schauen, ob Dinge funktionieren.

Euler: Interessant. Und vielleicht auch ein Kennzeichen von Meinungsführerschaft und eurer Expertise, einfach auch dem Kunden gegenüber zuzugeben: Wir müssen improvisieren, wir wissen viel, aber wir müssen auch mal Wege gehen und kurz stehenbleiben und noch mal zurückschauen und überlegen, gehen wir weiter oder nicht? Und den Kunden auch aktiv mit einzubeziehen. Das hört sich klassischerweise nicht nach einer Dienstleistung, sondern eher nach einer Partnerschaft an.

Fuderholz: Absolut. Es ist ein agiler Ansatz mit kurzen Iterationen. Wichtig ist das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und immer wieder zum Thema zurückzukommen.

Euler: Gibt es für Mittelständler oder kleine Unternehmen so eine Art „Health Check“, der zeigt, wo ich stehe, wo die tief hängenden Früchte geerntet werden können und wie ich mich schrittweise weiterentwickeln kann?

Fuderholz: Ja, das gibt’s tatsächlich. Wir haben uns vor 18 Monaten die Frage gestellt: Muss eigentlich jedes Projekt immer bei null anfangen? Was ist da? Wie laufen Abstimmungsprozesse? Einfache Fragen, wie „Gibt es definierte Buyer Personas?“.
Da sieht man dann häufig bereits am Gesichtsausdruck, wo das Unternehmen steht. Wir haben dafür ein Beratungsprodukt entwickelt, die „Marketing und Sales Assurance“ (MSA). Letztendlich ist das ein Fragebogen mit 110 Fragen, die tief in die Substanz gehen. Das Unternehmen versucht all diese Fragen zu beantworten und wir werten das standardisiert oder teilstandardisiert aus. Es gibt dann auch eine Prioritätenliste, die zeigt, wo besonders dringend daran gearbeitet werden muss. Aber: Um Thought Leader zu werden, braucht es natürlich eine gewisse Unternehmensgröße und ein gewisses Alleinstellungsmerkmal im Markt.

Euler: Aber ihr könnt auch ohne den Gedanken an Thought Leadership unterstützen?

Fuderholz: Klar, irgendwo muss man ja anfangen. Das ist auch der Hintergrund der Marketing und Sales Assurance, dass ich weiß, wo ich stehe und dass ich Handlungsfelder definieren kann. Das ist ein Prozess, den man auch mit einem kleineren Unternehmen dann angehen kann.

Euler: Wow, vielen Dank, lieber Jens und alles Gute.

Fuderholz: Ich habe zu danken, Markus. Hat Spaß gemacht.

Hier können Sie den gesamten Podcast anhören.

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