Progressive Profiling, also die fortschreitende Profilbildung oder besser das sukzessive Anreichern von Leads mit Informationen ist eine Methode, bei der Leadgenerierung mit wenigen Informationen zu starten und dann mehr und mehr Daten über einen Lead zu sammeln. Das ist das Ziel: Ansprache zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle der Customer Journey. Progressive Profiling ist also neben dem Lead Nurturing eine Technik, die BANT-Kriterien durch gezieltes Management von Leads mit Informationen zu hinterlegen.

Das leistet Progressive Profiling

Diese progressive Profilbildung macht es für den User oder Leser zunächst einmal einfach. Wenn nur wenige Informationen abgefragt werden, ist der User leichter bereit, ein Formular auszufüllen. Für den direkten Vertriebskontakt wollen Vertriebsleute aber nicht nur Name und E-Mail-Adresse sowie die Telefonnummer haben. Sie wollen möglichst viele Informationen haben – über das verfügbare Budget, die Position des Ansprechpartners, seinen zeitlichen Entscheidungshorizont und viele Dinge mehr. Wer alle diese Informationen gleich bei der Leadgenerierung abfragt, kann sich Progressive Profiling sparen. Aber er wird auch weit weniger Leads generieren als möglich. Umfangreiche Formulare gehen in der Regel zu Lasten der Umwandlungsquote, d. h. die Costs per Lead steigen.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, ganz bewusst hohe Hürden zu schaffen, um die Lead-Qualität zu treiben: Wer seine Position oder Funktion im Unternehmen im Formular angibt und preisgibt, innerhalb von 3 Monaten investieren zu wollen, ist sicherlich ein heißer Lead, der vom Vertrieb gerne bearbeitet wird. In der Praxis betreiben Unternehmen aber Content Marketing und Lead Management, weil sie am Beginn der Customer Journey ansetzen wollen und genau dort mit relevanten Themen Leads generieren wollen.

Progressive Profiling ist die Methode, um nach dem Erstkontakt, also nach dem Ausfüllen eines ersten, sehr reduzierten Formulars, weitere Informationen abzufragen, um aus einem Inquiry einen Sales Accepted Lead und letztlich einen Sales Qualified Lead zu machen. Dabei geht man sukzessive vor, weshalb der Autor die sukzessive Lead-Anreicherung einen besseren deutschen Begriff findet, als progressive Profilbildung.

Progressive Profiling ganz praktisch aus der User-Perspektive

Bietet ein Maschinenbauer ein Whitepaper zum Beispiel über die Vernetzbarkeit von Maschinen in einer Smart Factory an, sieht das erste Formular vor dem Download dieses Whitepapers sehr schlicht aus: Vorname, Name, Anrede und E-Mail werden abgefragt. Nach einem sauber dokumentierten Double-Opt-In erhält der User/Leser postwendend sein Whitepaper. In einer ersten Nuture-E-Mail zwei Tage nach dem Download wird der User/Leser gefragt, ob er auch die Beispiel-Roadmap zur Maschinenvernetzung abrufen möchte. Beim Klick auf den Link in der E-Mail wird an das Formular auf der Website bereits die vorhandene E-Mail-Adresse sowie die Daten zum Namen übergeben. Das Formular ist zum Teil vorausgefüllt. Der User muss nun noch den Unternehmensnamen und seine Funktion als neue Pflichtfelder ergänzen. Das geht schnell und baut darauf auf, dass über den ersten Download bereits Vertrauen in die Informationsqualität aufgebaut worden ist.

Der User füllt nun also die leeren Felder aus und sendet das Formular ab. Die neuen Informationen werden im CRM oder der Marketing-Automation-Software ergänzt. Beim nächsten Kontakt werden beispielsweise ergänzende Informationen abgefragt, der Unternehmensname und die Funktion müssen allerdings nicht erneut im Formular angezeigt werden – sie sind nur im CRM für den Vertrieb verfügbar. So kann Progressive Profiling im Lauf der Zeit dazu beitragen, valide und angereicherte Daten für den Vertrieb bereitzustellen.

Ohne Software kein Progressive Profiling

Progressive Profiling ist ohne Software-Unterstützung nicht denkbar. Ob das CRM direkt mit der Website verbunden ist und über Formulare Daten generiert und übertragen werden oder ob eine Marketing-Automation-Lösung zwischengeschaltet ist, die diese Aufgabe übernimmt – ohne eine intelligente Datenbank im Hintergrund, das automatische Erkennen von Informationslücken und gleichsam das automatische Schließen derselben durch entsprechend dynamische Formulargestaltung lässt sich Progressive Profiling nicht umsetzen.

Wird das Formular nicht aus einer E-Mail heraus aufgerufen, können auch Cookies zur Identifikation eines Users dienen. Ist im Cookie auf dem Rechner des Users die (hoffentlich pseudonymisierte) Information abgelegt, wer zuletzt ein Formular auf der Seite unseres Maschinenbauers im Beispiel ausgefüllt hat, lässt sich beim nächsten Aufruf eines Formulars dasselbe dynamisch mithilfe der Cookie-Information und einem leistungsfähigen CRM im Hintergrund der Website entsprechend vorab ausfüllen. So lassen sich Informationen später dem richtigen Datensatz zuordnen.

Diese Form des Progressive Profiling ist allerdings in Datenschutz-sensiblen Gesellschaften wie insbesondere in Deutschland durchaus mit Vorsicht zu genießen: Wer nach Wochen eine Internetseite aufruft und sich vielleicht gar nicht mehr richtig daran erinnert, dass er schon zuvor ein Formular auf einer anderen Unterseite dieser Webpräsenz ausgefüllt hat, wird sich trefflich wundern, wenn die Site die eigene Person wiedererkennt und das Formular mit Vorname, Name und E-Mail bereits vorausfüllt. Der Eindruck eines gläsernen Kunden drängt sich hier förmlich auf. Der Aufruf von Formularen aus E-Mails heraus ist dagegen unkritisch – sind doch in der E-Mail in der Regel Informationen zum Adressaten enthalten.

Mehr als nur Formulare für Progressive Profiling nutzen

Wer E-Mails als Ausgangspunkt für einfachste Umfragen mit zwei oder drei möglichen Optionen nutzt, kann diese Informationen (also in der Regel durch den Klick auf einen Link generiert) gleich dem Profil des Users hinzufügen. Ein einfaches Beispiel für unseren Maschinenbauer: In einer Begrüßungs-E-Mail nach einem Download wird der User gefragt, welche Lösung er für das Product Lifecycle Management einsetzt. Als Antwort werden direkt in der E-Mail drei Logos von Anbietern gezeigt, die der User anklicken kann. Die Information zur Antwort wird direkt dem Datensatz des Users zugeordnet. In der Folge kann die Kommunikation direkt Bezug nehmen auf das richtige Product Lifecycle Management, die richtigen Schnittstellen können erwähnt werden, passende Referenz-Berichte können dem Nutzer angeboten werden.

Durch diese einfache Frage lässt sich im Rahmen des Nurturing das Profil des Leads mit passenden Informationen anreichern, die dann auch gleich wieder sinnvoll für die Gestaltung und Begleitung der Customer Journey genutzt werden.

Progressive Profiling gleich Datenkrake? Fragen Sie Ihren Datenschutzbeauftragten!

Auch wenn Progressive Profiling einfach und elegant klingt und dafür sorgen kann, viele Daten für den Vertrieb zu generieren, der Datenschutz setzt Grenzen. Und zwar in der Regel in der Form des betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Das Aufzeichnen und Speichern von personenbezogenen Daten ist nämlich in der Regel nur auf der Basis einer Einwilligung des Users möglich. Wer Progressive Profiling einführt, ist also gut beraten, dies in enger Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten zu tun. Ein abstrakter Hinweis in der Datenschutzerklärung der Website wird dabei in der Regel nicht reichen. Der User muss der Profilbildung zustimmen.

Unseren Erfahrungen nach fällt dies deutschen Nutzern deutlich schwerer als Nutzern aus anderen Ländern. Wer also internationales Geschäft betreibt, kann von Progressive Profiling klar profitieren. Wer ausschließlich deutsche Kunden hat, sollte sich frühzeitig mit seinem Datenschutzbeauftragen auseinandersetzen, um vielleicht einen Weg zu finden, der dem User nicht abverlangt, dem Profiling mit einer extra Checkbox beim ersten Formular-Ausfüllen zuzustimmen.

Noch ein Tipp zur Einführung

Sammeln Sie nicht einfach Daten ohne vorher genau festzulegen, was Sie mit diesen Daten anfangen wollen. Vor der Datensammlung steht zuallererst ein Konzept, das definiert, welche Daten sie benötigen und wofür. Dies muss auch die Grundlage für das Gespräch mit dem Datenschutzbeauftragen sein. Datensparsamkeit ist das Gebot aus der Datenschutzgrundverordnung. Deshalb gilt es zu definieren, wofür welche Daten zu welchem Zeitpunkt erhoben werden. Ist das Konzept geklärt und juristisch weitgehend wasserdicht (soweit das gut 1,5 Jahre nach Inkrafttreten der DSGVO möglich ist), dann kann dezent gemachtes und gut umgesetztes Progressive Profiling dazu dienen, wertvolle Informationen zu Leads zu erhalten. So lässt sich die Customer Journey auch aus der Kundensicht besser gestalten.